Rezension von Manfred Chobot in der Literaturzeitschrift PODIUM 161/162 bzw. kultur-online.net
Seit 2004 schreibt Haimo L. Handl eine wöchentliche Kulturkolumne "Wort zum Sonntag" für das Portal kultur-online.net. Unter dem Titel "schauhör" wurde 2007 die erste Sammlung als Buch publiziert (VIZA Edit, Wien, ISBN 978-3-900792-22-0), die den Zeitraum von 2004 bis 2005 umfasste. Nun ist ein Nachfolgeb and erschienen, in dem die Beiträge aus den Jahren 2008 und 2009 gesammelt sind.
Das Vergnügen an diesem Buch ist vielfältig: Nicht nur, dass man/frau nachlesen oder wiederlesen kann, lässt sich nachvollziehen, was Haimo L. Handl erwähnenswert erschien, welche Ereignisse kommentiert wurden: Literatur und Kunst und vor allem die Medfien, ob Print oder elektronisch. Das Spektrum reicht von Schweinerei, die unter den medialen Tisch gekehrt wurde, bis Dummheiten, die mit lockerer Hand übergangen wurden. Hier hakt Handl ein. Und er ist keiner, der bloß über den eigenen Tischrand blickt und im Lokalbezug versumpert, sondern er stellt die in einer globalisierten Welt zugänglichen Verbindungen her und nützt sie sachlich aus.
Unglaublich, wie viel der Mann liest und was er alles in seine Kolumnen miteinbezieht. Alltäglich werden wir medial mit Dummheit und Dreistigkeit gefüttert und eingelullt. Wir nehmen es hin oder registrieren es überhaupt nicht mehr, die Gewohnheit entwickelt eine seditive Wirkung. Ebenso Sprachverschluderung.
Haimo L. Handl kämpft dagegen an. Der Vergleich mit Karl Kraus liegt auf und in der Hand, wenn man/frau in "Anmerk" liest, denn Handl formuliert präzis und scharf. Keineswegs hat er das Denken zugunsten von opportunistischen Überlegungen aufgegeben, vielmehr eckt er an, zumal die Ecken zahlreich sind, über die man/frau diskutieren und/oder nachdenken sollte.
Es ist wahrlich kein Minidrama, hingegen eine Tragödie, dass keine der österreichischen "Qualitätszeitungen" sich bislang die Fähigkeiten von Haimo L. Handl zunutze gemacht hat, stattdessen vertraut man/frau auf "Namen". Ist der Name erst bekannt gemacht, kann nur Qualität drinnen stecken. Der eine sonnt sich im Schatten des anderen - bis zum Sonnenbrand. Wer nicht sanktioniert wird, kann intelligent schreiben und denken, so viel er will. Wohl daher ist Haimo L. Handl bislang kein Kolumnist einer "Qualitätszeitung" geworden.
Manfred Chobot
Haimo L. Handl: Anmerk. Kulturkolumnen 2008-2009. Driesch Verlag, Drösing 2010, 20 S., € 11,00
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