Solidaritätslesung für Pussy Riot |
![]() |
![]() |
![]() |
Bahnstr. 39, 2265 Drösing, 12.12.12, 19 h
Bericht weiter unten !
![]()
Aufruf (pdf): worldwide_reading_for_pussyriot
Plakat (pdf): ilb_12_04_plakat_wwr_pussy_riot-red
Der Herausgeber von Driesch, Haimo L. Handl, unterstützt diese Aktion und wird am 12.12.12 lesen. Aber er teilte den Veranstaltern folgende Anmerkung mit:
Für ein Engagement zugunsten von Pussy Riot braucht es nicht den heuchlerischen Verweis auf die internationale Politik Russlands und Chinas als Kontrast zur vermeintlich positiven Politik des Westens. Die Kriege, die der Westen, angeführt von den USA, seit 1945 geführt hat, stellen alle anderen in den Schatten. Und da zimmern Sie eine Fokussierung auf China und Russland, um daraus eine „internationale Notwendigkeit“ abzuleiten? Das ist skandalös. Verteidigen Sie doch die Menschenrechte in den USA, in Israel, in der Türkei, in den Mitgliedsländern der Europäischen Union, um ein paar wichtige Akteure zu nennen, anstatt in sattsam eingeübter Kalter Krieg-Rhetorik auf die Schurkenstaaten und Diktaturen zu verweisen, um dann tapfer dagegen anzulesen.
Ich werde bei unserer Lesung darauf verweisen, dass ich zwischen der Kritik an Russland hinsichtlich seiner Bürgerrechte und dem weitgezogenen Urteil wegen seines Engagements in Syrien unterscheide und keine Vermengung und Pauschalverurteilung unterstütze.
Die Texte zur Lesung:
Die Teilnehmer:
Australia Melbourne: Melbourne Centre of PEN Int. Austria Drösing: Driesch Verlag
Bericht von der Veranstaltung:
1) Driesch:
Im Rahmen des vom Literaturfestival Berlin organisierten weltweiten Gedenklesens zugunsten Pussy Riot nahm auch der DRIESCH Verlag teil; wie aus der Teilnehmerliste zu entnehmen, war die Anzahl der in diesem Jahr mitwirkenden Organisationen sehr gering.
Trotz einiger Vorbehalte gegenüber der ursprünglichen Aussendung der Berliner Organisatoren machten wir natürlich mit, und dies, obwohl wir am Abend zuvor eine große Veranstaltung in Wien abhielten, wo wir in der Geologischen Bundesanstalt die neueste Ausgabe von Driesch, „Erosion“ präsentierten.
Immerhin kamen zu unserer Veranstaltung am 12. 12., die pünktlich um 18:59 begann, ein Dutzend Gäste nach Drösing, um in trauter Runde bei Wein, Wodka und Tee sowie Gebäck sich dem Thema Pussy Riot zu widmen, den russischen Reaktionen, der Reaktionen im Ausland, und was das alles über den Zustand der Gesellschaft einerseits in Russland aussagt, andererseits bei uns hier oder in anderen Ländern der europäischen Union.
Bei uns wird im Extremfall Druck ausgeübt, wenn Veranstalter Subventionsempfänger sind. Am freien Markt kann aber fast jeder fast alles frei sagen, außer er beleidigt Juden oder Moslems. Da hört die Toleranz, die man sonst auch gegenüber üblen Machos pflegt, auf. Alles, was nach Kinderschändung aussehen könnte oder eine indirekte Unterstützung sein könnte, ist ebenfalls tabu. Sonst ist alles erlaubt.
Aber wenn man sich vorstellt, eine Band hätte in einer Synagoge einen Auftritt wie von Pussy Riot in Moskau hier oder gar in Deutschland unternommen, fällt es nicht schwer, sich den Proteststurm vorzustellen.
Just die gleichen Leute, die in Österreich jetzt z. B. eine Proletenband, die als Bande zutiefst primitiv gewisse Volksgruppen (Frauen, Neger) angreift, anpöbelt, in Schutz nimmt vor einem Veranstaltungsverbot auf einer subventionierten Bühne, die dieser Bagage damit also enorme Publicity liefern, würden ohne Zögern sofort die Israelitische Kultusgemeinde in ihren gewohnten Zensurbemühungen unterstützten, wenn das traute mosaische Bild angekratzt worden wäre, oder wenn sich ein Prolet erdreistete, sich höhnisch über Juden lustig zu machen. Und Synagogen sind heilige Stätten, wie Moscheen. Dass gläubige Russen das auch für ihre Kirchen fordern, gilt vielen dann nicht, wenn es sich um Politik handelt.
Aber handelt es sich darum nicht auch in anderen Ländern und anderen Kirchen oder Plätzen? Gut, bei uns wird man eher symbolisch geächtet, oder muss sich eine nicht subventionierte Spielstätte suchen, was für viele aufrechte Kämpfer schon einen Nachteil bedeutet, den sie als unzumutbaren Eingriff in ihre künstlerische Freiheit empfinden.
Diese Freiheit wird ja auch hinsichtlich Graffitikünstlern vertreten, deren Eigentumsbeschädigungen von Eigentümern hingenommen werden sollen, weil es ja um legitime Kunst handle, usw. usf. Öffentliche Gebäude zu verschmieren, ist Kunst, außer es handelt sich um Moscheen oder Synagogen. Oder um Nazisymbole. Da wollen auch die gutmenschlerischen Grünen einschreiten.
Wenn bei uns Frauen ihre Möse im Fernsehen zeigen wollen, weil sie PUSSY RIOT wörtlich nehmen, würden sie sicher angezeigt, angeklagt und verurteilt werden. Kommen halt nicht in ein kaltes Lager. Aber kriegen eine drauf.
Wie wär’s, wenn einige radikale Feministinnen in christlichen Kirchen, in Moscheen und und Synagogen gegen die Männerbande der Priesterschaften, ganz gleich, wie sie sich nennen, protestierten?
Wer würde da Politik von Religion und religiöser Beleidigung unterscheiden?
Pussy Riot zeigt uns, dass wir im "freien Westen" zwar nicht so rigide und drastisch mit Protest umgehen, wie unsere russischen Freunde, aber, gemessen am freiheitlichen, rechtsstaatlichen Anspruch, doch ganz mies, böse und unrecht.
Zwar sind Tierschützer keine Rioter, aber sie wurden als Terroristen fertig gemacht. Nach ähnlichem Muster, wie im Osten die Störenfriede. Was, wenn die Tierschützer nicht nur vor einem mächtigen Kaufhaus protestiert hätten? Wenn diese Unternehmen ihre langen Arme schon in die Polizei und den parierenden Rechtsstaat haben, wie müssten wir erwarten, wenn Juden, Moslems und hohe Christen den Staat zur eindeutigen Reaktion aufriefen?
Der Abend wurde offiziell um 21:04 geschlossen; nach zwei Stunden war dem theoretischen Austausch Genüge getan. Den russischen Verfolgten hilft es zwar nichts, wenn wir ihrer gedenken und „die Daumen drücken“, oder wenn wir unsere russischen Kontakte ansprechen. Aber vielleicht doch? Moralisch, indirekt?Jedenfalls ge- und bedenken besser als nichts denken. Wir hoffen.
2. Nadeschda Elewanowa:
Auf Einladung des Kleinverlages DRIESCH im Weinviertel, fand am Vereinssitz in Drösing am 12.12.2012 die Solidaritätslesung zugunsten von PUSSY RIOT statt, die vom Internationalen Literaturfestival Berlin organisiert worden war.
Eine kleine Gruppe von etwas über 12 Besuchern hörte sich eine kurze Dokumentation verschiedener Texte von und zu Pussy Riot an. Diese Texte wurden ergänzt durch einen kurzen Ausschnitt aus „Die Straße der Freiheit“ von Nisametdin Achmetow.
In einer teils hitzigen Diskussion wurde der bedauerliche Verfall der russischen Rechtskultur durch die immer rigider werdende Diktatur Putins beleuchtet bzw. wurden die Auswirkungen für Kulturschaffende und Journalisten besprochen.
Es gab auch Stimmen, die Vergleiche zu westlichen Ländern zogen, in denen ebenfalls unerwünschte Autorinnen und Autoren verfolgt werden. Doch wurde festgehalten, dass zwischen medialen Auseinandersetzungen oder Verbalattacken und einem staatlichen Eingreifen gegen Kritiker und Protestierende, wie in Russland, ein himmelweiter Unterschied besteht.
Das Beispiel Achmetow diente zur Illustration, wie aktuell gewisse „alte“ Texte bleiben, nicht, weil diese Texte „zeitlos“ wären, sondern weil sich in Russland immer wieder ein schlimmer Zustand der intoleranten Staatsgewalt manifestiert.
Ein Besucher verwies auf Michael Rohrwassers Buch „Der Stalinismus und die Renegaten“ und warnte davor, die kritische Situation in Russland schönzureden, wie in den Dreißiger- bis Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts von vielen namhaften Marxisten und Kommunisten das Terrorregime Väterchen Stalins umgedeutet und schöngeredet worden war, nicht zuletzt von Hoffnungsphilosophen wie Ernst Bloch oder Autoren wie Lion Feuchtwanger u. v. a.
Wo der Zweck die Mittel heiligt, gibt es kein Recht mehr! Das gilt unbedingt und allgemein.
Nadeschda Elewanowa
Siehe auch:
Den neuralgischen Punkt getroffen
|
< zurück | weiter > |
---|