Jürgen Kross: Umbruch |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() UmbruchGedichte Umschlag nach einer Fotografie von Sonja Bachmayer Format 120 x 210 mm, Hardcover, Farbumschlag, 94 Seiten, € 14,00 (versandkostenfrei!) © Driesch Verlag, Drösing 2014 ISBN 978-3-9027897-30-9 Erschienen im Juli 2014
Ein neuer Gedichte-Zyklus von Jürgen Kross, der in seiner unverwechselbaren Sprache, dem gefangennehmenden Rhythmus, wieder ein "Gustostück" liefert.
Jürgen Kross, geboren 1937 in Hirschberg, Schlesien. Ausbildung zum Fernsehredakteur beim ZDF; lebt als Autor und selbständiger Buchhändler in Mainz. Zahlreiche Veröffentlichungen im In- und Ausland.
Zuletzt: grenzverlauf, Ffm. (2007), zufluchten (2007), unverwandt (2011), umland (2011), Puppenkopf oder Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann (Theaterstücke, 2011), finsternisse (2012), rufweiten (2013) sowie in: Tage des Glücks (2002), Die Sonne (2002) Insel – Suhrkamp Verlag Ffm. it 3085; Insel – Bücherei: Reich mir die Hand (März 2005). Vertreten mit Einzelbeiträgen in: Neue Deutsche Hefte, Akzente, Das Gedicht, dtv, München, ndl (Aufbau-Verlag, Berlin), Litfass (Piper Verlag, München), Dimension (Austin, Texas), Sterz (Graz), Driesch (Drösing), Castrum Peregrini (Amsterdam) und Zeitschriftenveröffentlichungen in: USA, Schweiz, Belgien, Frankreich, Luxembourg, Österreich, Niederlande. ![]() Rezensionen:
Auf dem Feld abgeernteten Erlebens In Jürgen Kross’ neuem Gedichtband UMBRUCH ist der Titel Programm: Was hier geschieht, auf dem Feld abgeernteten Erlebens, hat mit Umwälzung zu tun. Das Unterste zuoberst kehren, wenn nicht noch schlimmer, schöner. Man geht heran, liest wieder und wieder, dreht, wendet, erleidet Verstehen, Einsicht, Mehrsicht. Man versucht davon zu sprechen: Die Verschiebungen der Satzteile, Zeiten, Deklinationen. Überhaupt Perspektiven und anderes, lose, setzen dir zu. Die bekannten Räume werden hier anders. Als Nichts geschieht hier, was sich zuträgt, trotz deiner. Ordnungen, Übliches, Nachlesen, wieder und wieder das Verständnis. Übersetzt, übergesetzt vom körperlichen, konkreten Erleiden zum scheinbaren Abstrakten, Dargestellten. Wer weiß schon, wie wahr das ist, was uns zustößt. Zum Beispiel dieses:
„ging in die irre an solchem vergessen dahin. seiner auf wegen ins eben doch leere.“
Man begegnet sich unentwegt selbst. So ist es, immer der Kopf, und was sich trennt und herauslöst
„an schwärze von totem geäst“
Waldmensch, der ich war oder bin, verstehe was hier gesagt ist
„... erfährst du das enden von tod“
Das Verwobene von Welt und Wesen, wie es mich knüpft, diese Muster gestaltet, in denen ich mich, zu bewegen genötigt, sehe. Hier teilt sich auf unverständliche Weise mit, was kaum wahrnehmbar, so sehr da ist, dass alles durch und durch erschüttert, klarer wird, durchschaubar. Was könnte mehr mitzuteilen sein als diese Gedichte von Jürgen Kross – Umbruch! (lg [= Leo Gillessen], KRAUTGARTEN Nr. 65, November 2014; www.krautgarten.be )
Lyrik gilt gemeinhin nicht als Renner in den Buchhandlungen, und die kargen, minimalistischen, wie Fragmente wirkenden Gedichte von Jürgen Kross sind auch nicht unbedingt leichte Kost. Einer Auseinandersetzung mit den naturhaft nackt herausgemeißelten Poemen des 1937 in Schlesien geborenen Dichters, der seit 1971 eine Buchhandlung in Mainz betreibt, lohnt sich allemal. Kross hat Dutzende, in ihrer extremen sprachlichen Verdichtung auf existentielle Grunderfahrungen in der zeitgenössischen deutschen Verskunst unverwechselbare Lyrikbände herausgebracht. Auch die jüngste, im österreichischen Driesch-Verlag erschienene Sammlung „Umbruch“ wurzelt in klirrenden, splitternden Naturbildern, die magisch assoziativ den Blick in die Tiefe der Seele bohren, bis der Tod die Sicht verstellt. Kostprobe: „sturmtief das / übers / land zieht. und hebt / darin aus den bäumen. / dir / zwischen die schädel das licht.“ Worte, die sich festkeilen, wenn man sie an sich heranlässt.
Mainzer Allgemeine Zeitung, 13./14.12.2014
Umbruch ins Wörtliche. Zu den aktuellen Gedichten von Jürgen Kross Vierteljahreshefte Mainz
Die inzwischen über viele Jahrzehnte kontinuierlich entstehenden Gedichte von Jürgen Kross sind fortschreitende Variationen eines Themas, dem sich der Mainzer Autor mit Beharrlichkeit verschrieben hat. Es ist das Thema der Vergänglichkeit, ja Endlichkeit. Und man mag die Grundintention des Dichters darin sehen, Endlichkeit nicht als zu überwindende Beschränkung anzusehen, sondern – im Wagnis eines poetischen Versuchs – die Schranken der Endlichkeit als Ermöglichung von Erkenntnis zu begreifen, die zur Bejahung der Endlichkeit führt. Ganz im Sinne eines Rückverweises auf alles Lebendige, das ständiger Veränderung unterliegt.
Dass ein solcher Versuch als zutiefst lebensbejahend anzusehen ist, öffnet nicht nur den ethischen Horizont dieser Dichtung, sondern erschließt auch religiöse Denkmuster; und zwar keinesfalls nur mit blick auf eschatologische Fragen innerhalb der christlichen Dogmatik. Im Gegenteil. Vergegenwärtigt man sich nämlich die zahlreichen, vorwiegend der Natur entnommenen poetischen Bilder und Metaphern, kommt man zur Überzeugung ihrer universellen Gültigkeit, unabhängig bestimmter religiöser Prägungen.
Hier reihen sich aufs Wesentliche reduzierte Bilder des Vergänglichen aneinander, die von Text zu Text immer wieder neu hervorgerufen werden, so dass man den Eindruck gewinnt, als meditierte der Dichter über dieses, sein zentrales Thema. Und in der Tat mögen diese Gedichte als Meditationen über die Endlichkeit verstanden werden. Sie fordern dazu geradezu auf. Meditation im wörtlichen Sinn einer Zurüstung, im übertragenen einer Einübung auf etwas, schließlich einer Gewöhnung an etwas.
Dieses Etwas, das sprachlichen Niederschlag findet in der für Kross seit langem so typischen äußeren Form einer Folge von Doppeldreizeilern, dieses Etwas ist der die Texte und den Dichter beherrschende Kern, den es zu meistern gilt, auch und gerade durch die Leser dieser ungewöhnlichen Lyrik, die zu sehr genauem Hinsehen aufruft.
Diese Genauigkeit,. Diese Aufforderung des genauen und wiederholten Hinsehens ist es doch gerade, die alle ernst zu nehmende Meditation auszeichnet. Wie aber ist nun dieser Aspekt der meditatio den Texten selbst zu entnehmen und wodurch lässt er sich aus den Gedichten konkret ablesen? Hierzu bieten die Texte deutliche Hinweise. Einerseits durch Wörter aus dem semantischen Umfeld. Z. B. Kenntnis. Dieses Wortfeld steht in unmittelbarer Beziehung zu einem zweiten auf die Physis verweisenden Wortfeld, zu dem Wörter wie Kopf, Haupt und Schädel gehören, die als Bindeglied zwischen den Naturbildern der Vergänglichkeit dienen und die Wendung nach innen (vgl. S. 57 und 89) anzeigen.
Handelte es sich um reine Naturlyrik, so verböte sich das Einweben der genannten Wörter in das poetische Bild. Und es gibt auch weitere, weniger offensichtliche Texthinweise, die das Gesagte untermauern könnten. Ein Beispiel zeigt sich in dem Gedicht auf Seite 24: nieder dir senken zur furcht / kahl / auf das grasland den schatten. // doch dem nicht entfliehst du. / der / so sich bewegt mit den wolken. Der Text ist auf den ersten Blick unverständlich, weil er das Subjekt zu dem kausativ senken (in Ableitung aus sinken) nicht nennt. Es stellt sich die Frage, wer hier den Schatten zu sinken vorgibt; es wird durch den Dativ dir ausgedrückt. Mit diesem in den Texten immer wiederkehrenden Dativ, meist in dieser Form des Personalpronomens, ist stets das lyrische Ich, der Dichter selbst gemeint. Identifiziert man ihn als den meditierenden, so kommt als nicht genanntes grammatisches Subjekt nur ein Plural in Frage, der den Meditationsinhalt in seiner allgemeinen Form bezeichnet: Es klann sich nur um die Vorstellung oder Gedanken handeln, die den Schatten hier niedersenken.
Dieser Bezug nach innen, auf das Denken, ist ein wesentliches Merkmal der Texte. Neben der reinen Anschauung zeigen sie auf, dass über das zunächst sinnlich vermittelte Bild zugleich nachgedacht, meditiert wird. Dadurch gilt dem Dichter aber ebenso das Wort als Werkzeug des Denkens. Die letzten Gedichte des Bandes drücken das explizit aus (ab Seite 81) bis schließlich der Raum nach innen sich mit schweigsamkeit füllt (Seite 89). Es bleibt darauf hinzuweisen, dass hier doch sehr deutliche Züge erkennbar werden, wie sie etwa aus den buddhistischen und hinduistischen tantrischen Texten mit Blick auf die Mantra-Praxis bekannt sind, wo Mantras (wörtl. Denkwerkzeuge) unter anderem dazu dienen, das Objekt der Meditation gegenwärtig zu setzen, auch und gerade in der Form des inneren Sprechens.
|
< zurück | weiter > |
---|