Neu: "Kein Grund zur Beunruhigung" – Gedichte
von René Oberholzer
Erschienen Ende März 2015
Hardcover, färbiger Pappeinband, Format 12,5 x 21,5 cm
248 Seiten, € 17,00 / CHF 18,00
© Driesch Verlag, Drösing 2015
ISBN 978-3-902787-34-7
Beschreibung:
Gedichte, die wohl überraschen, aber nicht verstören, weshalb "Kein Grund zur Beunruhigung" besteht. Der Schweizer Autor und Performer, im Beruf Sekundarlehrer, reflektiert den Alltag in all seinen Facetten und Färbungen. Eine kritische und zugleich unterhaltsame Stimme aus der Schweiz.
Biografische Anmerkung:
René Oberholzer, * 1963 in St. Gallen, Schweiz, lebt und arbeitet seit 1987 als Sekundarlehrer, Autor und Performer in Wil. Schreibt seit 1986 Lyrik, seit 1991 auch Prosa. Zahlreiche Auftritte, Lesungen und Veröffentlichungen. Jüngste Buchpublikation: "Die Liebe wurde an einem Dienstag erfunden" (120 Geschichten), Nimrod Literaturverlag, Zürich 2006.
www.reneoberholzer.ch
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Rezensionen:
Den Zeilen mehr Geschichten geben
Saiten, Etrit Hasler · 30. April 2015 (SAITEN, Mai-Heft 2015)
«Kein
Grund zur Beunruhigung», aber dennoch eine Herausforderung: René
Oberholzers neuer und erkundenswerter Lyrikband. Am Freitag ist die
Vernissage in der Hauptpost St.Gallen.
Es
mag absurd sein, wenn ausgerechnet ein Vielschwätzer wie ich über René
Oberholzer schreibt. Denn Oberholzer ist das Gegenteil eines
Vielschwätzers. Er ist eher ein Heimlifeis mit lakonischen Geschichten.
Ein lyrisches Orakel. Einer, dessen Sätze und Wendungen man seitenweise
interpretieren könnte, wenn man denn wollte. Der schreibt, «Man sollte
den Geschichten nicht mehr Zeilen geben/ sondern den Zeilen mehr
Geschichten», und das selber ernst meint. Als Gegenentwurf zu Goethes
Axiom, wonach Gedichte «gemalte Fensterscheiben» sind. Aber Absurdes
passt zu ihm.
Oberholzer nimmt Geschichten und reduziert sie mit poetischem
Skalpell, so lange, bis nichts mehr wegzulassen ist. Nicht einmal
Satzzeichen. Das macht ihn zu einem der wenigen konsequenten
Ostschweizer Lyriker. Wobei: Lyriker sei er keiner, sagt er. Seine
Gedichte sind nicht im Versmass geschrieben, reimen sich nicht, tragen
keinen eingeschriebenen Singsang. Dafür eine Spannung in sich, die sich
meist erst am Schluss eröffnet – eine Art mehrstrophige Haikus mit
kafkaesken Punchlines.
Teamplayer auf Ohrenhöhe
Falls Sie Oberholzer nicht kennen: Er ist ein Kuriosum in der
Ostschweizer Literaturszene. Obwohl er seit knapp 30 Jahren Gedichte und
Kurzgeschichten schreibt, hat er in der ganzen Zeit gerade einmal vier
Bücher veröffentlicht – stattdessen steht er immer wieder auf der Bühne,
und das, ohne dabei auf die Slambühne ausweichen zu müssen. Dort war er
nur einmal zu sehen – an einem der allerersten überhaupt, im April
2000, im Gaswerk Winterthur. Stattdessen sucht er sich Bühnen, auf denen
seine absurden Kurzgeschichten und Gedichte Platz bekommen.
Vor allem aber ist er ein Teamplayer, was gerade in der Literatur
eine Seltenheit ist. Seit 14 Jahren betreibt er die Autorengruppe
Ohrenhöhe, eine Art literarischer Workshop mit wechselnder Besetzung
(derzeit mit Helen Knöpfel und Eva Philipp), die sich alle zwei Wochen
trifft, um sich auszutauschen und gemeinsam zu schreiben. Sich dabei
immer wieder an den «Stilübungen» des surrealistischen Dichters Raymond
Queneau orientiert. Und konstant mit szenischen Lesungen in Erscheinung
tritt. Parallel dazu gründete er mit seiner damaligen Partnerin, der
inzwischen verstorbenen Schauspielerin und Autorin Aglaja Veteranyi, die
Experimentiergruppe «Die Wortpumpe». Und seit er das Internet entdeckt
hat, treibt er sich aktiver als viele andere Ostschweizer Schriftsteller
auf diversen elektronischen Portalen herum.
Hunde, Kinder, Krieg und Sport
Mit Kein Grund zur Beunruhigung veröffentlicht Oberholzer
nun sein erstes Buch seit neun Jahren und seinen ersten Lyrikband seit
2002. Es ist, wenn man das so sagen darf, eine Sammlung von «typischen»
Oberholzer-Texten, auch wenn man von der Bühne her eher seine
Kürzestgeschichten kennt. Seine Gedichte sind noch reduzierter.
In der ihm eigenen abstrakten Sprache geschrieben – da tummeln sich
keine Tierarten und keine Markennamen. Stattdessen Hunde und Vögel. Ein
Telefon. Bäume. Menschen, die auf Vornamen reduziert werden, und statt
mit grossen psychologischen Backstories ausgestattet, in den
Oberholzerschen Wendungen aus ihrer Zweidimensionalität befreit werden.
Meist in der letzten Zeile. «Ich verliere die Beherrschung», kann er da
in eine serene Bergszenerie werfen. Oder feststellen, dass sowohl ein
Baby und ein Handy strahlen, wenn man mit ihnen spricht. Es schaffen,
mit sieben Worten auf acht Zeilen die Sprachgefangenheit eines Dementen
auszudrücken. Die Toten eines undemokratisch befohlenen Bombenabwurfs in
einem undemokratischen Land zu Demokraten zu machen. Und über Gedichte
wissen: «Verbrannt /Schmecken sie /Am besten».
Über die 236 Texte leitet er die Lesenden durch diverse Themenblöcke,
ohne diese als Kapitel zu kennzeichnen. Die Klammer bilden
Liebesgedichte zu Beginn und zum Schluss, dazwischen begegnen uns Hunde,
Kinder, Krieg und Sport – der Übergang ist dabei fliessend. Über
Beatles und Poesie geht es in die Natur und an den Strand, wo die Liebe
wieder auftaucht. Die Texte sind fast ausnahmslos kurz gehalten
(ausgerechnet ein Fussballgedicht ist das einzige, das nicht auf einer
Seite Platz hat), spielen mit Formen von Einkaufslisten, dem Gebet oder
dialektischen Zeilenpaaren – sogar ein Bergsteigerrap ist dabei.
Kein Grund zur Beunruhigung ist kein Buch, das man am Stück
durchlesen will. Oder sollte. Wie jede gute Lyrik fordert sie dazu auf,
selber zu denken. Bei Oberholzer sowieso. Die falschen Fährten, die er
gerne legt und sofort wieder aufsprengt, laden viel eher dazu ein, jeden
Tag eines zu lesen. Vielleicht beim Zugfahren. Oder auf einer Parkbank.
Oder beim Kaffee. Oder auf dem Klo. Jedenfalls irgendwo, wo man
ungestört ist. Denn auch wenn Kein Grund zur Beunruhigung besteht:
Fordernd sind seine Texte allemal. Und wert, dass man sich die Zeit
dafür nimmt.
Sonnenaufgang und andere Gänge
Rainer Stöckli, Thurgauer Zeitung, 9.5.2015 (auch St. Galler Tagblatt, 9.5.2015)
Im fünften Gedicht von René Oberholzers jüngster Lyriksammlung geht die Sonne auf. Später geht es um «Gipfelnähe», dann um «Gipfelerlebnisse». Insgesamt gilt aber: «Die Wetterlage» ist gut. Was «Heimat» und «Heimat II» betrifft, ist die Sache nicht so einfach zu entscheiden.
WIL. Gehen, wandern, reisen, flüchten, Hindernisse nehmen… diese Fortbewegungsarten sind häufig in René Oberholzers neuer Gedichtsammlung «Kein Grund zur Unruhe». Das bringt mit sich, dass nebst einem Titel wie «Sonnenaufgang» mit 17 Zeilen auch Spazier- und Tauchgänge stehen; dass wir an Sommertagen unterwegs sind sowie in Sommernächten, an einem «Februarmorgen» sowie unter «Osterwetter», sogar einmal zur «Geisterstunde».
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Wer indessen Oberholzers Meteorologie behaftet, ist bald genasführt. Die «Geisterstunde» erregt nicht Grauen, sondern dient dem Anagrammieren: steigerstunde / geisternest du / und es geistert.
Bald witzig, bald konfus
Es sind zwölf Jahre her, seit eine Folge von rund neunzig Texten des Wilers im Nimrod-Verlag erschienen ist. Damals schon der Vorzug für wenige und knappe Zeilen, Gedichte oftmals von kurzem Schnauf. Zu situieren zwischen den Polen «witzig» und «konfus».
«Ich bin ein Märchen», hiess es im letzten Text, und auf der Hand lag, dass in den acht Zeilen gespielt werde mit «es war einmal» und «wenn noch nicht gestorben». Andere Lese-Erinnerung: Wer vom «Föhntag»-Text im Band «Genickstarre» Wörtlich-Wirkliches zu erwarten beliebte, musste oder durfte steckenbleiben zwischen Fenster aufbringen und Fenster umbringen.
Beide Sprachgesten, das Witzigseinwollen und das Konfusmachen, kommen in Oberholzers neuer Lyrik auch vor. Ans Licht gebracht hat sie der niederösterreichische Verlag Driesch im österreichischen Drösing.
Bald geistreich, bald poetisch
Die reichlich 230 Texte handeln von allen Themen der Welt: vom «Möhrenland» bis «Saint-Tropez», von «Strandidylle» bis «Südkurve», von der «Punta Scario» auf Sizilien bis «Morlaix» in der Bretagne und «Struthof» im Elsass – wie schon die Gedichttitel verraten.
Geglückt muten zwei Textsortimente an: jene, die man «geistreich» heissen möchte, und jene, die einem genuin dichterisch vorkommen. Natürlich ist Lyrik auch zum Spielen da, zum Verblüffen, zum Irritieren und Purzelbaumschlagen. Aber seit alters fasst und verdichtet Poesie auch «das hehre Gefühl»: Tagesglück, Attachement, Sehnsucht, Verlust. Insofern ist der neue Band ergiebig. «Reststück» notiert in elf Zeilen, was vom Verlieben und Entlieben übrig bleibt: ein Stein für Sie und für Ihn, gleichermassen Denkmal einer Beziehung wie Bürde der Erinnerung.
Des Weiteren lesen wir – nebst dem Wortklauberischen und an der Seite des bald bemüht, bald kalkuliert Witzigen – Persönliches im besten Wortsinn, das, was durch den schriftstellenden Menschen hindurch tönt oder singt (per-sonare). Wir lesen Vatergedichte, Stillleben, Lust- und Leidarbeit.
Umdichtungen ohne Verweis
Ein eigenes Genre bilden die Umdichtung des Vaterunser-Gebets und die Paraphrasen von Brambach-, Goethe-, Kaschnitz-Gedichten. Auf die Vorlagen hätte man freilich verweisen dürfen!
René Oberholzer –
„Kein Grund zur Beunruhigung"
Eine verschwommene Gestalt zeigt uns
den Rücken, bewegt sich vom Betrachter weg in die neblige
Undeutlichkeit dessen, was vor ihr liegt. Kerzengerade, also
unhastig, tut sie den Schritt ins unscharf abgebildete, feinquadrige
Pflaster, auf dem sie uns voranschreitet. Das Farbcover des Bandes
als ruhig bestimmte Botschaft: Gib die dir anerzogene Konturenschärfe
auf, wenn du dich auf Tiefgang einlassen willst?
Auf den Seiten 10 bis 246 erwartet die
Leserinnen und Leser eine Fülle von Gedankensplittern, von denen
einige diesen Impuls tragen. Die meisten aber sind klare, auf heitere
oder besinnliche, ironische oder unmissverständlich kritische
Pointen zugespitzte Gedankensplitter.
Ohne Kryptik, dafür mit köstlich
feinem Wortspiel gestaltet, sind sie angenehm zu lesen, beziehen ihre
Stärke aus der Knappheit, die zur Ergänzung animiert und eben
dadurch im Ohr bleibt. Wenn René Oberholzer in einem
persiflierenden Gedicht das Wort Unterholz verwendet, wenn er
die scharf bewaffneten Militaristen ihre Übung abbrechen lässt,
weil an Zickenalarm erinnernder Zeckenalarm ausgerufen
wird, macht er bewusst, wie mühelos er Satire aus gegebener Sprache
zu pflücken vermag.
Bisweilen verwendet er den Stift des
Sprachkarikaturisten. „Hermann ist Fluchtwanderer / Er steht immer
/ Neben den Wanderschuhen …“. Manche Gedichte beginnen mit einer
griffigen Metapher, wie „Du bist die beste Wiederholung seit es
Leben gibt…“, münden aber bald wieder in satirischen Pointen. Zu
ernst ist das Leben, um es ernst nehmen zu können, zu tragisch die
Liebe, um nicht über sie zu spotten, zu poetisch die Dichtkunst, um
sie nicht zu trivialisieren. Das unterschwellig vermittelte Konzept
des Autors: Man muss sich lustig machen über alles, was man ernst
nimmt, sonst ist es nicht auszuhalten. Das trifft nicht auf alle
Texte des Bandes zu. Einige stehen auch in stillem Ernst da, wie jene
über den ersten Weltkrieg. Bei den meisten aber verleiht Satire erst
dem Ernst seine Plastizität und umgekehrt, setzt die Satire dem
Ernst erst sein Trauerlachen auf.
Bei dem einen oder andern Text wünscht
man sich den Vortrag, der ihm jene Rhythmik, jene Pausen und jene
Akzente verleiht, die das Papier naturgemäß verweigert. „Die
Bäume schweigen sich aus“ – auf dem Blatt folgt die Fortsetzung
unmittelbar. Im Vortrag erwartet man hier ein längeres Absetzen. Der
Satz ist ja schon das Gedicht. Was folgt, ist seine Deutung und die
ironische Pointe „Sie finden mich total überflüssig“, die
Überraschung des Lesers mit dem unerwarteten Ende. Und wenn der
Autor fürchtet, es könnten die Zeilen am Ende doch zu viel
Sentimentalität tragen, gesellt er dem Textchen ein banales Reimchen
bei, mit dem er die unerwünschte Romantik erschlägt. So muss die
Gänsehaut, die die die Sehnsucht nach der attraktiven Nachbarin
erzeugt hat, gleich mit einer Trivialetüde „Oh Gänsehaut/Oh
Gänsehaut/…/hast mir den Tag versaut…“ wieder glatt gebügelt
werden.
Die Themen sind vielfältig, in
gebündelten Textsträußchen, unscharf von einander abgegrenzt
präsentiert. Erotik, Alltag, die Sorge mit Famlie und ohne,
Weltlage, Zukunftsängste, Fußball, Sport und Tod …man vermisst
kaum einen beschreibbaren Aspekt. Und wenn auch der eine oder andere
Beitrag entbehrlich erscheint, so ist er doch kurzweilig. Ein
Gedichtband für LeserInnen, die pointenreiche Häppchen, teilweise
mit Tiefgang, lieben.
Franz Blaha
www.kultur-online.net, 30.5.2015
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